Frankfurter Buchmesse 2019

Frankfurter Buchmesse 2019



Frankfurter Buchmesse - Ehrengast 2019: Norwegen


Norwegens Motto als Ehrengast – „Der Traum in uns“ – basiert auf dem Gedicht von Olav H. Hauge (1908 - 1994)


Frankfurt, 21.10.2019.
Die Frankfurter Buchmesse endete gestern. Mehr als 300.000 Besucher kamen dieses Jahr zum Frankfurter Messegelände. Insgesamt 302.267 Besucher(innen) wurden bei der weltgrößten Bücherschau gezählt, das entspricht einem Plus von 5,5 Prozent gegenüber dem Vorjahr (285.024). Die Zahl der Fachbesucher von Mittwoch bis Donnerstag lag bei 144.572 (2018: 142.016), die Zahl der Privatbesucher am Wochenende bei 157.695 (2018: 144.409), ein neuer Rekord!

Jedes Jahr begrüßt die Frankfurter Buchmesse ein anderes Land als Ehrengast. Das Gastland präsentiert seine Literatur und Kultur, in der Stadt Frankfurt und an vielen weiteren Orten im Land und gibt der Frankfurter Buchmesse in jedem Jahr ein neues Gesicht. Norwegen war dieses Jahr Ehrengast, ein Land großer Schriftsteller - Klassiker, wie Henrik Ibsen und Knut Hamsun bis zu aktuellen Bestsellerautoren, wie Karl Ove Knausgård und Jo Nesbø. Lediglich 13 Einwohner pro Quadratkilometer leben in Norwegen. Jeder Norweger liest statistisch 15 Bücher pro Jahr, mehr als in anderen europäische Nationen. Sie haben bisher drei Literaturnobelpreisträger hervorgebracht. Organisator des Gastlandauftritts war NORLA (Norwegian Literature Abroad). NORLA wurde 1978 gegründet und hat allein seit 2004 zur Übersetzung von rund 5.200 norwegischen Büchern in 65 Sprachen beigetragen. Die Frankfurter Buchmesse, die 2019 vom 16. bis 20. Oktober stattfand, ist die weltgrößte Fachmesse für das Publishing. Norwegens Ehrengastauftritt stand unter dem Motto „Der Traum in uns“, das auf dem Gedicht des norwegischen Dichters Olav H. Hauge beruht.

Norwegen präsentierte ein umfangreiches Kulturprogramm, das bildende Kunst, Bühnenkunst, Musik, Film und Architektur umfasste. Die Schirn Kunsthalle in Frankfurt, zeigt noch bis zum 12. Januar eine Ausstellung mit 26 Werken der Textilkünstlerin Hannah Ryggen (1894–1970) und auch das Museum Angewandte Kunst zeigt noch bis zum 26. Januar 2020 Kunstwerke aus Norwegen. Als House of Norway versammelt es herausragende Werke aus Norwegens Kunst und Kultur, Design, Handwerk und Architektur. In Düsseldorf präsentiert die Kunstsammlung NRW bis zum 1. März 2020 Arbeiten von „Edvard Munch gesehen von Karl Ove Knausgård“. Außerdem ergänzen eine Ausstellung zum Werk von Harald Sohlberg in Wiesbaden, Aufführungen von Stücken Henrik Ibsens und Jon Fosses, Ausstellungen zeitgenössischer Künstler(innen) sowie zahlreiche Konzerte das Programm.

Juergen Boos, Direktor der Frankfurter Buchmesse, betonte in seinem Statement zur diesjährigen Buchmesse: „In diesem Jahr werden wir Norwegens vitale Literaturszene kennenlernen, und darauf freue ich persönlich mich schon sehr. Wir können von unserem diesjährigen Ehrengast sehr viel lernen: Nicht nur werden Autorinnen und Autoren sowie Übersetzungen aller Genres nachhaltig gefördert; auch das Lesen selbst als Kulturtechnik und als Grundlage für jede Art des demokratischen Zusammenlebens erhält in Norwegen große Aufmerksamkeit. Das sieht man nicht zuletzt an dem hohen Stellenwert, den Bibliotheken in Norwegen genießen. Ich freue mich persönlich sehr auf die Begegnungen mit Autor(inn)en wie Tomas Espedal, Maja Lunde, Linn Ullmann, Karl Ove Knausgård und auf viele literarische und kulturelle Entdeckungen in diesem Jahr“.

IKH Kronprinzessin Mette Marit und Kronprinz Haakon von Norwegen reisten mit einem durch Deutschland fahrenden Literaturzug zur Frankfurter Buchmesse an. Die Fahrt des Literaturzugs durch Deutschland ist einer Zusammenarbeit zwischen dem norwegischen Außenministerium, NORLA und der Deutschen Bahn AG zu verdanken. Am Montag, den 14. Oktober, bestieg die Kronprinzessin, den Zug nach Köln – zusammen mit einer Gruppe Schulkinder. Auf der Reise ging es besonders um norwegische Kinder- und Jugendbücher. Als in Köln norwegische Schriftsteller(innen) zugestiegen waren, fuhr der Literaturzug weiter nach Frankfurt. Als Botschafterin norwegischer Literatur reist die Kronprinzessin jedes Jahr mit einem Spezialzug durch Norwegen, um die Bekanntheit der zeitgenössischen Landesliteratur und die Leselust zu fördern.

„Ich bin stolz und dankbar für die einzigartige Möglichkeit, die norwegische Literatur hervorheben zu dürfen. Ich freue mich darauf, mit einigen unserer besten Autorinnen und Autoren durch das Land zu reisen und dabei die deutschen Leserinnen und Leser kennenzulernen. Ich freue mich natürlich auch darauf, Norwegen auf der weltweit wichtigsten Arena für Literatur und Meinungsfreiheit repräsentieren zu dürfen. Die Frankfurter Buchmesse ist eine einmalige Gelegenheit, unsere norwegische Literatur unter Lesern der ganzen Welt zu verbreiten“, kommentierte IKH Kronprinzessin Mette-Marit.

Schon zu Beginn der Buchmesse dominierten politische Töne, von Außenminister Heiko Maas über die Schriftstellerin Erika Fatland aus dem Gastland Norwegen bis zur frischgekürten polnischen Literaturnobelpreisträgerin Olga Tokarczuk, die sich wegen des "Kulturkriegs" in ihrem Land besorgt zeigte. Tokarczuk stellte in Frankfurt ihren neuen Roman "Die Jakobsbücher" vor, der mit über 1100 Seiten das bedeutendste Werk der Schriftstellerin darstellt.

Mit prominenten Gästen wie Denis Yücel, Joachim Gauck und der Extremismusforscherin Julia Ebner waren auch die ersten Messetage von der Sorge um rechte Tendenzen, Einschränkungen der Meinungsfreiheit und einer sich spaltenden Gesellschaft geprägt. Die Buchmesse griff auch die Themen Nachhaltigkeit, Achtsamkeit und Nationalismus auf. Jonathan Safran Foer stellte zum Beispiel sein Klimaschutz-Buch "Wir sind Klima!" vor.

„Das Kulturprogramm soll das Publikum überraschen, begeistern und engagieren sowie Norwegen und norwegische Kultur von einer neuen Seite zeigen. Das umfangreiche Kulturprogramm, das wir heute präsentieren, ist das Ergebnis einer wunderbaren Zusammenarbeit zwischen deutschen und norwegischen Kulturinstitutionen. Wir freuen uns darauf, in den kommenden Jahren auch die nachhaltige Wirkung dieser Kooperationsprojekte zu sehen“, kommentierte Margit Walsø, Direktorin von NORLA.

Wie Norwegens Buchszene im Wandel begriffen ist, hatte Tagesspiegel-Literaturredakteur Gerrit Bartels vor Ort erkundet. Zu den herausragenden Titel aus Norwegen gehört unter anderem der moderne Romanklassiker "Das Eis-Schloss" von Tarje Vesaas: Ein seltsames, unnahbares Mädchen, namens Unn. Fremd, wie aus einer anderen Welt taucht es in einem norwegischen Provinzdorf auf. Als Aussenseiterin steht es auf dem Schulhof, abseits von den anderen Kindern. Schnell spricht sich herum, dass seine Mutter gestorben sei. Das Mädchen schweigt, aber es strahlt dabei Würde aus; man spürt seine innere Stärke, eine unaussprechliche Kraft. Das Kind ist elf Jahre alt, so alt wie Siss, die immer im Mittelpunkt ihrer Schulkameraden steht. Siss ist es auch, die etwas Besonderes in Unn entdeckt, von ihr magisch angezogen ist. Und sich, ohne das selbst fassen zu können, nach ihr sehnt, mit ihr befreundet sein möchte. Als sie sich tatsächlich verabreden, ist das wie eine Verheißung ...

Tarjei Vesaas lebte von 1897-1970 und ist einer der bekanntesten norwegischen Autoren des 20. Jahrhunderts. Er führte eine ganz eigene, symbolistische, von der Provinz geprägte Sprache in
die norwegische Literatur ein. In seinem faszinierenden Roman „Das Eis-Schloss“ ässt er die beiden Mädchen Siss und Unn aufeinandertreffen. Den Lesern kommt dies wie ein kleines Wunder vor, und weil es wunderlich erscheint, ist diese Begegnung auch unbeholfen, schüchtern und leise. Etwas Rätselhaftes umweht diese Kinder, vor allem Unn. Eine merkwürdige Spannung liegt in der Luft, als würden beide, in dem sie sich erkunden, auch etwas Verbotenes entdecken können.

Bereits 1963 hatte er diesen Roman geschrieben, der von der Verwirrung des Kindseins und vom Übergang zum Erwachsenwerden handelt. Es ist fast, als würde man durch ihn in eine andere Welt gelangen, in eine Zeit, die lange zurückliegt. Aber auch in eine Zeit, die etwas Fortdauerndes hat, etwas Verzaubertes. Etwas Heimliches, Heimeliges, Utopisches. In der aber immer auch die Gefahr zu spüren ist, dass alles zerbrechen könnte. Vesaas Roman ist eine großartige Parabel aufs Erwachsenwerden. Das „Eis-Schloss“ ist eine der wunderbaren literarischen Wiederentdeckungen.

„Deutschland und Norwegen sind schon seit Langem durch viele Kulturprojekte eng miteinander verbunden und inspirieren sich gegenseitig. Wir sind gleichgesinnte Nachbarn mit häufig zusammenfallenden politischen Interessen und Werten. Wir glauben beide an internationale Zusammenarbeit, Demokratie, Menschenrechte und Meinungsfreiheit. Das Ehrengastprojekt auf der Frankfurter Buchmesse mit dem Literaturzug Ihrer Königlichen Hoheit Kronprinzessin Mette-Marit und dem breiten Kulturprogramm werden wir nutzen, um diese Partnerschaft weiter zu vertiefen“, sagte Petter Ølberg, Botschafter Norwegens in Deutschland.

Doch Norwegen hat noch mehr als Literatur zu bieten. Unberührte Natur und reizvolle Landschaften vereinen sich mit imposanten Fjorden und einzigartigen Naturschauspielen. Nahezu der gesamte Strombedarf (etwa 98 %) in Norwegen wird durch heimische Wasserkraftwerke gedeckt. Im gesamten Land existieren weder Kern- noch Kohlekraftwerke (ausgenommen das Kohlekraftwerk in Longyearbyen auf Spitzbergen). Das von Norwegen geförderte Erdöl und Erdgas wird nicht für die Stromversorgung im eigenen Land eingesetzt. Der Geirangerfjord, am nördlichsten Punkt Europas, dem Nordkap, ist traumhaft schön, insbesondere, wenn man die nicht untergehende Mitternachtssonne beobachten kann. An der Westküste Norwegens herrscht ein mildes Klima, welches durch den Golfstrom bedingt ist. Dadurch herrschen ganzjährig nicht nur milde Temperaturen, sondern die Gewässer an der Küste fangen auch nicht an zu frieren. Norwegen ist, klimatechnisch nicht zwischen Nord und Süd geteilt sondern zwischen West und Ost. Abgetrennt wird der Rest des Landes vom milden Klima durch das Skandinavische Gebirge mit einer Höhe von knapp 2.000 Metern. Dadurch, dass sich an dem Gebirge die Regenwolken abregnen, ist die Südwestküste Norwegens für seine hohen Niederschläge bekannt. Deutlich kontinentaler wird das Klima im Osten und Nordosten. Warme Sommer und sehr kalte Winter prägen dort das Land. Angenehme Temperaturen, bereits ab Mai und in der Hauptreisesaison im Juli findet man im Westen und im Süden. Doch auch die Winterzeit macht Spaß: Die Tage sind zwar kurz, dennoch kann man Ski fahren oder viele Outdoor-Aktivitäten ausprobieren. In der Arktis gibt es Wale und Nordlichter zu beobachten. In der „Wikinger-Saison“ hat man die Chance, die Fjorde ohne andere Touristen zu genießen, denn der Winter ist eine stille Jahreszeit. Ein Großteil Norwegens verwandelt sich in ein schneebedecktes Paradies. Das bedeutet beste Bedingungen für spannende Aktivitäten im Schnee! Wenn sich die Landschaften weiß färben, findet man in den Bergen zahlreiche Skigebieten mit perfekt präparierten Pisten.

Ehrengast 2020: Kanada. Feierliche Übergabe-Zeremonie mit dem norwegischen Autor Erlend Loe und der kanadischen Autorin Margaret Atwood


Nachdem die Besucherinnen und Besucher der diesjährigen Frankfurter Buchmesse über 100 norwegische Autorinnen und Autoren erleben konnten, fand am Nachmittag des Messesonntags das festliche Ende des Ehrengastauftrittes Norwegens im Gastland-Pavillon statt. In einer feierlichen Zeremonie mit dem Buchmessedirektor Juergen Boos übergab Margit Walsø, Direktorin von NORLA – Norwegian Literature Abroad, die GastRolle an Caroline Fortin, Vorsitzende des Ehrengastkomitees CanadaFBM2020. Das eigens dafür geschaffene Kunstobjekt der Frankfurter Buchmesse wird in jedem Jahr um einen literarischen Beitrag des nachfolgenden Gastlandes erweitert.

Margit Walsø, blickte auf einen gelungenen Gastlandauftritt zurück: „Bereits vor der Messe war uns klar, dass wir 510 Bücher über Norwegen oder aus dem Norwegischen übersetzte Titel hier präsentieren können. Und wir wussten, dass es knapp 1000 Veranstaltungen mit norwegischen Autorinnen und Autoren sowie Künstlerinnen und Künstler im deutschsprachigen Raum gegeben hat. Aber der Publikumsandrang auf der Buchmesse übertraf alle unsere Erwartungen, und war natürlich auch eine große Freude für die 100 mitreisenden Autorinnen und Autoren, die hier aufgetreten sind: So ist es uns gelungen, auf der Buchmesse die Literatur in den Mittelpunkt zu stellen.“

Halldór Guðmundsson, der Projektleiter des norwegischen Gastlandauftrittes, fügte hinzu, dass Norwegen nicht zuletzt auf Nachhaltigkeit setzt, und zwar durch die Zusammenarbeit mit dem deutschen Buchhandel: „Wir haben viele deutsche Buchhändlerinnen und Buchhändler nach Norwegen eingeladen. In hunderten von deutschen Buchhandlungen fanden dieses Jahr norwegische Lesungen statt, und auch im November setzen wir das Programm fort. Jetzt nach der GastRollen-Übergabe, wenn der norwegischen Pavillon zusammengepackt wird, ist es auch schön zu wissen, dass die 23 Phantasiebüchertische, die den Haupteil der Ausstellung ausmachten, in Buchhandlungen in Deutschland weiterleben werden – als Symbol dieser schönen Zusammenarbeit.“

Juergen Boos, Direktor der Frankfurter Buchmesse: „Norwegens Ehrengastauftritt hat uns gezeigt, wie Träume in Erfüllung gehen können: Im Mittelpunkt stand die Begegnung mit Autorinnen und Autoren, deren Werke in Deutschland und weltweit Millionen von Leserinnen und Leser begeistern. Innerhalb eines Jahres sind 510 Neuerscheinungen von norwegischen Autorinnen und Autoren sowie Titel über Norwegen in 217 deutschsprachigen Verlagen erschienen – diese Zahl spricht für einen überaus erfolgreichen Auftritt. Mit seinen Beiträgen zu den Schwerpunkten der diesjährigen Buchmesse, Meinungsfreiheit und Nachhaltigkeit, setzte Norwegen wichtige Akzente. Den Projektverantwortlichen Margit Walsø, Halldór Guðmundsson und dem Team von Norla ist es gelungen, der norwegischen Literatur eine große Bühne zu bereiten. Unter dem Motto „Singular Plurality, Singulier Pluriel“ wird Kanada, Ehrengast der Frankfurter Buchmesse 2020 (10.-14. Oktober 2020), seine literarische Vielfalt erlebbar machen – darauf freue ich mich schon ganz besonders. Schon in diesem Jahr lud Kanada uns ein, junge literarische Talente zu entdecken; mit Margaret Atwood war eine der wichtigsten Vertreterinnen der kanadischen Literatur bei uns.“

Caroline Fortin, Vorsitzende des Ehrengastkomitees CanadaFBM2020, sagte: „Kanada ist eklektisch und vielfältig. Unsere Unterschiede sind in ein buntes Geflecht verwoben, das eine Nation zeigt, die wächst und danach strebt, an allen Fronten voranzukommen, und dabei eine lebendige und kreative Branche schafft. Dies spiegelt die heutige kanadische Literatur wider, die mehr denn je vor neuen Stimmen und Perspektiven strotzt, und ein breites Publikum erreicht. Daher wird die kanadische Literatur der Star unseres Gastlandauftrittes 2020 sein, und aufstrebende Schriftsteller sowie hochgelobte und renommierte Autoren präsentieren. Kanada wird kraftvolle Texte aus allen literarischen Genres von französischen, englischen und einheimischen Stimmen zeigen. Gleichzeitig werden wir die unzähligen Geschichten verkünden, die unser Land repräsentieren – unsere SINGULAR PLURALITY/ SINGULIER PLURIEL."

Neu in diesem Jahr war, dass die Messebesucher am gesamten Besucherwochenende - also am 19. und 20. Oktober - Bücher kaufen konnten, was lange Zeit nicht erlaubt war, in den letzten Jahren durften die Verlage lediglich am Sonntag Bücher verkaufen. Die Fülle der ausgestellten Titel war überwältigend groß. Die Buchmesse wird im kommenden Jahr vom 14. bis 18.10.2020 stattfinden.







(TE)


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